Die Schweden haben’s uns vorgemacht. Sie können nicht nur Räucherlachs und Billigregal. Sie können auch Wahl. Und zwar richtig. Die Schweden haben Anfang der Woche Henrik Stenson zum "Sportler des Jahres" gemacht. Einen Golfer! Und das nicht zum ersten Mal. Da wählt also ein Land, das einen so riesigen Schatz an richtig erfolgreichen Sportlern hat, ausgerechnet einen Golfer zum Besten und Beliebtesten des Jahres. Da muss man als Deutscher schon zweimal hinschauen! Tack, Sverige! Danke, Schweden!
Keinen der vielen Eishockeycracks, keinen Langläufer oder alpinen Skifahrer, keinen Leichtathleten oder international erfolgreichen Fußballer, keinen Tischtennisspieler und keinen Handballer. Das zeigt: Die Schweden haben Bock auf Golf! Schweden ist eine Golfnation. Es gibt fast 500 Klubs und über eine halbe Million Mitglieder. Und das Land hat uns eines voraus: die vielen öffentlichen Plätze. Golf ist Volkssport in diesem Teil Skandinaviens. Statistisch gesehen, schwingt jeder 20. der rund zehn Millionen Menschen in diesem Land den Schläger. Mal mehr, mal weniger erfolgreich. In Deutschland golft übrigens zum Vergleich gerade einmal jeder 125. Einwohner.
Keine Spur von Golfern
Da mag es auf den ersten Blick nicht sehr verwunderlich sein, dass man bei den Sportler-Wahlen in Deutschland lange nach Golfern suchen muss. Bernhard Langer war 1985 mal Dritter. Hinter Boris Becker, dem Tennisstar, und dem Schwimmer Michael Groß. Martin Kaymer kam 25 Jahre später ebenfalls auf Platz drei, 2015 wurde er Vierter. Und dieses Mal? Keine Spur von Golfern. Freilich ist eine, nennen wir es mal schöngefärbt, eher durchschnittliche Leistung beim Ryder-Cup nicht einmal annähernd vergleichbar mit einer Olympischen Goldmedaille, wie sie Reck-Held Fabian Hambüchen gewonnen hat. Versteh‘ mich bitte nicht falsch: Auch ich bin der Meinung, dass hier genau der richtige Mann „Sportler des Jahres“ geworden ist. Aber ein Golfer stand nicht einmal auf der Liste der Nominierten, die vor den hauptamtlich tätigen Sportjournalisten in Deutschland auf dem Schreibtisch lag.
Zu dieser Berufsgruppe gehöre ich auch, also durfte auch ich mein Kreuzchen machen. Hambüchen? Ja, der kam auch bei mir vor. Aber nicht an der Eins. Da habe ich frecherweise einfach mal den Namen Bernhard Langer hingeschrieben. Weil er es verdient gehabt hätte. Und zwar so was von! Er ist einer der größten Sportler, die Deutschland je hervorgebracht hat. Er übt seinen Sport seit vier Jahrzehnten auf höchstem Niveau aus. Und er hat 2016 ein weiteres Kapitel Golf-Geschichte geschrieben. Bernhard Langer hat zum vierten Mal die Gesamtwertung der PGA Champions Tour bei den über 50-Jährigen gewonnen. Als erster Golfer überhaupt! Was soll er denn noch mehr leisten, um endlich auch einmal bei den Fachleuten in der Heimat zu punkten? Meine fünf Punkte hatte er sicher. Aber es waren wohl die einzigen, die er in der Addition aller Stimmen der mehr als 3000 deutschen Sportjournalisten bekommen hat. Schade!
Foto: Stephan Schöttl