Die Idee kam ihm, als vor einiger Zeit immer mehr Golfshops in seiner Heimat für immer schließen mussten. Michael Netzband ließ sich in den USA inspirieren. Von Food- und Fashion-Trucks. Die einen bringen das Essen direkt zum Kunden, die anderen die neuesten Kleider. Seit fünf Jahren mittlerweile ist er mit seinem Golftruck, einer rollenden Adidas-Boutique, quer durch Mitteldeutschland unterwegs. Er tourt an den Wochenenden von Ort zu Ort, fährt der Kundschaft hinterher und bringt die Mode genau dorthin, wo sie getragen wird: auf den Golfplatz!
Noch sind die Trucks, die in Amerika fast schon zum Alltag gehören, bei uns noch nicht so häufig zu sehen. Die umgebauten Fahrzeuge, von denen aus die Ware direkt den Kunden vor Ort angeboten wird. Aus dem Truck heraus. Netzbands kleiner Lastwagen sticht sofort ins Auge. Schon allein wegen der bunten Beklebung. Ich finde die Idee klasse!
Er beobachtet bei den Golferinnen und Golfern, die sich von ihm in modischen Fragen beraten lassen, den großen Wunsch nach mehr Individualität. Eintönige Uniformierung war früher, heute ist Fast Fashion. „Auf diesen Zug sind alle aufgesprungen“, sagt Netzband. Das Geschäftsmodell des Textilhandels, bei dem die Kollektion laufend geändert wird, hat flächendeckend Einzug gehalten. Dahinter steckt aber in erster Linie ein wirtschaftliches Interesse der Hersteller: Die stetige Veränderung des Sortiments soll die Kunden dazu bewegen, die Verkaufsflächen immer wieder aufzusuchen. Auf Extravaganz würden allerdings nur maximal zehn Prozent der Kunden besonderen Wert legen, meint Netzband. „Der Durchschnittsgolfer ist grau, blau und schwarz. In unserem Kulturkreis fehlt oft der Mut, sich auch mal ausgeflippter zu kleiden“, sagt er. Dabei sei der Golfplatz einer der wenigen Orte, an denen man, Zitat Netzband, "aussehen darf wie ein Papagei". Da fällt mir an dieser Stelle ein Spruch des US-Schauspielers und Filmproduzenten Samuel L. Jackson ein. Der soll mal gesagt haben: "Limettengrüne Hosen und Schuhe aus Krokoleder - der Golfplatz ist der einzige Ort, wo ich wie ein Zuhälter rumlaufen kann, ohne weiter aufzufallen." Sehr gut, oder?!
Gleichgewicht zwischen Mode und Funktionalität
Anders als beispielsweise im Fußballsport orientieren sich die wenigsten Golfer an den Großen der Szene. Während Fans des runden Leders sich gerne in den Trikots ihrer Lieblingsspieler und Herzensvereinen zeigen und der Verkauf der Shirts für die Klubs längst eine unverzichtbare Einnahmequelle ist, sagt Netzband: „Es gibt unter Golfern schon Leute, die sich beispielsweise nach dem Masters-Turnier mal ein komplettes Outfit von Dustin Johnson oder Sergio Garcia kaufen. Aber generell spielt das bei den Verkaufszahlen in Deutschland keine Rolle. In den USA ist das ganz anders.“
Die Golfmode entwickelt sich ständig weiter. Ich habe mal direkt bei Adidas nachgefragt - und Antwort aus England bekommen. Unternehmenssprecher Daniel Southam sagt, es sei für den Hersteller in der heutigen Zeit außerordentlich wichtig, ein Gleichgewicht zwischen Mode und Funktionalität zu finden. Er meint: "Wir möchten Produkte schaffen, die sowohl auf als auch außerhalb des Golfplatzes tragbar sind." Ein weiterer Schwerpunkt ist die Umwelt. Adidas will grüner werden, weg vom Plastikmüll. Southam verspricht daher: "Wir stellen sicher, dass unsere Produkte aus nachhaltigen Stoffen hergestellt werden, und bis 2024 wollen wir in unseren Produkten kein Polyester mehr verwenden. Wir glauben auch, dass der Verbraucher seinen Teil dazu beitragen möchte, unserem Planeten zu helfen."
Übrigens dauert es knapp 18 Monate von der ersten Skizze über Muster und Tests durch ein Experten-Team in Kalifornien bis zur Herstellung und dem Versand an Händler wie Michael Netzband, der mit bruttopunkt.de auch einen Online-Shop betreibt.
Fotos: Michael Netzband/golftruck.de